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Von: Thomas Kuzaj
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Bremen – Von der „Fahrrad-Premiumroute“ bis zur Surfwelle beim Verkehrsversuch in der Martinistraße – kaum eine Bremer Politikerin ist in dieser Legislaturperiode so heftig kritisiert worden wie Verkehrs-, Bau- und Umweltsenatorin Maike Schaefer, Spitzenkandidatin der Grünen.
Mit Blick auf die Bürgerschaftswahl am 14. Mai befragen wir die Spitzenkandidaten der Parteien, die in Fraktionsstärke im bremischen Parlament vertreten sind. Zum Auftakt: das Interview mit Maike Schaefer.
Wirtschaft, Bildung, Wohnen – auf Ihren Wahlplakaten stehen typisch grüne Themen wie Verkehrswende und Klimawandel nicht explizit im Vordergrund. Warum?
Der Klimaschutz ist natürlich dabei, denken Sie nur an das Plakat mit dem Eisbären. Dazu gibt es die Großplakate zu nachhaltiger, grüner Wirtschaft, die Standorte und Arbeitsplätze sichert. Klimaschutz ist nach wie vor eines unserer Kernthemen. Wir wollen aber auch zeigen, dass wir deutlich breiter aufgestellt sind: Zukunftsfähige Wirtschaft, Klima, soziale Gerechtigkeit – für uns gehört das alles zusammen.
Die Diskussionen um Haltestellen vor dem Konzerthaus Glocke an der Domsheide, der Kampf um die Platanen in der Neustadt, umstrittene Verkehrsversuche – Sie polarisieren sehr stark. Woran liegt das, was glauben Sie?
Es geht nicht um meine Person, es ist themenabhängig. Wir haben viele sehr bürgernahe Themen. Jeder zum Beispiel ist Verkehrsteilnehmer – ob zu Fuß, mit dem Rad, mit Bus und Bahn oder mit dem Auto. Jeder kann da mitreden. Oder die Platanen: Bäume sind – zum Glück! – ein hochsensibles Thema. Wir sehen aber auch die Folgen des Klimawandels für die Deichsicherheit, da müssen wir reagieren. Und die Sicherheit von Menschen geht vor. Die 130 Platanen werden aber auch durch 500 neue Bäume ersetzt, allein 300 davon sollen auf dem Deich gepflanzt werden.
Verkehrsversuch Martinistraße – würden Sie das noch einmal so machen?
Ich glaube, es war richtig, den Verkehrsversuch zu machen; vergleichbare Versuche werden in anderen Städten auch gemacht.
Im Beirat zum Verkehrsentwicklungsplan (VEP, Grundlage für Bremens Verkehrsplanung, d. Red.) hatten wir unterschiedliche Interessenlagen. Die Verringerung von vier auf zwei Spuren war Konsens. Unterschiedliche Haltungen gab es zu der Frage, ob es einen Beidrichtungs- oder Einbahnstraßenverkehr geben sollte – oder eine komplette Sperrung. Es ist ein Lernprozess gewesen: Die Verkehrsabteilung, die ursprünglich die Einbahn-Lösung favorisierte, stellte fest, dass Beidrichtungsverkehr besser ist – weil er die geringsten Auswirkungen auf das Viertel und die Neustadt hat.
Das Begleitprogramm des Verkehrsversuchs mit der vielzitierten – und ausgebuchten – Surfwelle, das würde ich heute anders hinterfragen. Unsere Absicht war es, damit junge Menschen in die Innenstadt zu holen und gerade in der Pandemie ein Kulturprogramm anzubieten. „Transformartini“ war ein Riesenkulturprogramm. Die Hochsitze würden wir heute vielleicht nicht mehr so machen.
Wann sind die angekündigten Fahrradbrücken über die Weser fertig?
Der Baustart ist für die nächste Legislaturperiode vorgesehen. Geplanter Spatenstich für die erste Brücke 2025, Fertigstellung laut Planung ist 2026/27. Los geht es mit der Brücke in der Neustadt.
Wie will Bremen für Pendler aus dem Umland erreichbar bleiben? Was ist mit Menschen, die mit dem Auto kommen?
Zunächst einmal weise ich auf die Verlängerungen der Straßenbahnlinien 1 und 8 hin, für Pendler aus Weyhe zum Beispiel ein interessantes Angebot! Hinzu kommt das 49-Euro-Ticket, das Pendeln wird damit viel günstiger als die Fahrt mit dem Auto. Eines unserer Ziele ist es, Park and Ride zu stärken.
Die Bremer Innenstadt ist aber auch nach wie vor mit dem Auto erreichbar – mit Parkplätzen etwa im Parkhaus im „City Gate“ am Hauptbahnhof, im neuen Parkhaus am ZOB mit 500 Stellplätzen, im Parkhaus an der Martinistraße. Bremen hat genug Parkplätze. Wir sehen, dass die Parkhäuser nicht ausgebucht sind, obwohl die Besucherfrequenzen in der Innenstadt wieder das Vor-Corona-Niveau erreicht haben.
Ihre Partei hat Sie bei der Wahl der Landesliste mit einem – um es vorsichtig auszudrücken – nicht gerade berauschenden Ergebnis von 72,8 Prozent ins Rennen geschickt. Belastet Sie das oder nehmen Sie es als Ansp*rn?
Belastend ist es nicht. Natürlich ist es ein Ansp*rn! Eine Rolle spielte dabei aber auch, dass wir bei den Grünen kein Delegiertensystem haben, sondern jedes einzelne Mitglied mitstimmen kann – anders als beim Delegiertenprinzip. In dieser Hinsicht ist es vielleicht das ehrlichere Ergebnis, weil es die Diskussionen innerhalb der Partei widerspiegelt: Für die einen ist es immer noch zu wenig Klimaschutz, zu wenig Verkehrswende, für die anderen ist es schon zu viel.
Ich rede nicht jedem nach dem Mund, denke aber auch: Zu einer ehrlichen Politik gehört es, dass man eine klare Haltung hat. Der Klimawandel schreitet so drastisch voran, dass wir handeln müssen. Solarpflicht, Verkehrswende, der neue „Bremer Standard“ fürs Bauen sind Beispiele dafür.
Was möchten Sie in der nächsten Legislaturperiode zuerst anpacken?
Ganz klar stehen die Klimaschutzziele im Fokus, Bremen möchte bis 2038 klimaneutral werden. Ein ganz wichtiger Schritt auf diesem Weg ist die Transformation des Bremer Stahlwerks, die Umstellung von Kohle auf Wasserstoff.
Wie halten Sie es mit Schwarz-Grün – wäre das eine Option?
Grundsätzlich gilt: Wir halten uns alle Optionen offen, wir sprechen mit allen demokratischen Parteien. Für uns ist es natürlich wichtig, möglichst viele grüne Inhalte umzusetzen. Beim Thema Klimaschutz in der Enquetekommission gibt es eine große Übereinstimmung mit der CDU. Wir haben aber auch in der rot-grün-roten Dreierkoalition unter schwierigen Bedingungen – drei Jahre Corona, ein Jahr Energiekrise – wirklich viel umgesetzt.
Wieviel Prozent wollen Sie am 14. Mai erreichen?
2019 hatten wir 17,4 Prozent der Stimmen bekommen, das wollen wir auf jeden Fall halten. Unser Ziel ist es, noch stärker zu werden.
Zur Person: Maike Schaefer
- Geburtstag: 2. Juni 1971 in Schwalmstadt (Hessen)
- Ausbildung und Beruf: Studium der Biologie in Bremen; Promotion im Bereich Risikoabschätzung von Umweltchemikalien im Rahmen eines Bodensanierungsprojekts an der Uni Bremen; Senatorin seit 2019
- Parteimitgliedschaft: Schaefer ist seit 2002 bei den Grünen
- Familienstand: verheiratet, ein Kind
- Wohnort: Vegesack
- Freizeit: Schaefer ist Hobby-Imkerin