HomeKinoEmpfohlene FilmeEmpfohlene Action FilmeHuntKritik: Hunt
Hunt
Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
3,0
solide
Hunt
Jeder gegen jeden - und irgendwann kommt das Drehbuch selbst nicht mehr mit
Von Michael Meyns
In den 1980ern gab es auf der koreanischen Halbinsel nicht nur eine, sondern gleich zwei Diktaturen: Während der Norden von der eisernen Hand Kim Il-Sungs regiert wurde, herrschten im Süden wechselnde Militärs, die ihre Vorgänger regelmäßig wegputschten oder sogar ermordeten. Vor diesem düsteren Hintergrund spielt „Hunt“, das Regiedebüt von „Squid Game“-Star Lee Jung-jae, das sich zur einen Hälfte als brachialer, betont-brutaler Actionfilm und zur anderen als ein oft kaum zu durchschauendes Geflecht aus Intrigen, Verrat und Korruption entpuppt. Vollends überzeugend ist keine der beiden Hälften, aber für Fans koreanischer Action-Blockbuster oder an der Geschichte der koreanischen Halbinsel Interessierte könnte sich „Hunt“ trotzdem lohnen.
„Donglim“ lautet der Deckname des nordkoreanischen Spions, der sich in den südkoreanischen Geheimdienst Korea Central Intelligence Agency (KCIA) eingeschlichen hat und dort regelmäßig für das Auffliegen von Agenten und Operationen sorgt. Gleich zwei Männer sind dem Maulwurf auf der Spur: Park Pyong-ho (Lee Jung Jae), der Chef des Auslandsgeheimdienstsektion, und Kim Jung-do (Jung Woo Sung), der die Abteilung für innere Sicherheit leitet. Doch statt miteinander arbeiten die beiden Abteilungen und ihre Leiter die meiste Zeit über gegeneinander. Zwischen den Kollegen, die von ihrem neuen Chef schließlich sogar aufeinander angesetzt werden, herrscht pures Misstrauen. Dabei sollte die ganze Energie doch eigentlich auf den Feind aus dem Norden gerichtet werden, zumal immer deutlicher wird, dass offenbar ein baldiger Anschlag auf den südkoreanischen Präsidenten geplant ist…
Die Geheimdienst-Chefs Park Pyong-ho (Lee Jung Jae) und Kim Jung-do (Jung Woo Sung) ermitteln irgendwann mehr gegeneinander statt gegen den Feind im Norden.
1979 wurde Park Chung-hee, der amtierende Präsident Südkoreas, von einem Offizier seines eigenen Geheimdienstes ermordet. Restlos aufgeklärt wurden die Hintergründe des Anschlages bis heute nicht, selbst wenn etliche angebliche Verschwörer festgenommen, gefoltert und hingerichtet wurden. Diese Graustellen der koreanischen Geschichte nutzt Schauspieler Lee Jung-Jae nun als Ausgangspunkt für sein Debüt hinter der Kamera, das bisweilen wie ein harter, realistischer Blick auf historische Ereignisse wirkt, nur um sich dann doch wieder in ein phantastisches Geflecht aus Mutmaßungen und Verschwörungstheorien zu stürzen.
Dass sich die beiden koreanischen Staaten mit größtem Misstrauen beäugten und eine militärische Eskalation des brüchigen Friedens dabei ein ums andere Mal nur knapp vermieden werden konnte, ist ebenso bekannt wie die Rolle der Vereinigten Staaten, die in Südkorea wichtige Militärstützpunkte unterhalten, die im Kalten Krieg als wichtige Vorposten gegen die Sowjetunion dienten. Die USA hatte dabei nach der Teilung der Halbinsel mit dem Ende des Koreakriegs 1953 auch keinerlei Skrupel, selbst die brutalsten Militärregierungen zu unterstützen. Mit welchen Methoden die südkoreanischen Militärs gegen die Demokratiebewegung vorgehen, sorgt für einige der am schwersten zu ertragenden Szenen in „Hunt“: Mit geradezu sadistischer Lust foltern die Militärs Student*innen und Professor*innen, versuchen Geständnisse zu erpressen und nicht existente Verbindungen zum Norden herzustellen. Der historische Realismus solcher Momente hält allerdings nicht lange vor, viel lieber inszeniert Lee Jung-jae brachiale Actionszenen, in denen selbst nach heftigen Schlägen auf die Fresse, Treppenstürzen oder Autoüberschlägen kaum bleibende Spuren zurückbleiben.
Die Wendungen sind eher verwirrend als überraschend
Mitreißend gefilmt ist das ohne Frage, doch die extrem verschlungenen Figurenkonstellationen lassen eine weitergehende Identifikation kaum zu. Wer hier wen wann wie und warum hintergeht, bleibt oft ein Rätsel. Es gibt zwar Ansätze, John Woo-artige, moralisch ambivalente Figuren zu zeichnen, die das Richtige wollen, aber das Falsche tun – doch das bleibt alles viel zu vage, um die Motivationen gerade im verwirrenden Finale tatsächlich nachvollziehen zu können.
Das überzeugendste Element dieses solide, aber nicht wirklich originell inszenierten Action-Thrillers bleibt so der Versuch aufzuzeigen, wie durch die Brutalität der Militärdiktatur Fragen der Loyalität entstehen: Will man als Geheimdienstagent wirklich seinen originären Auftrag erfüllen, den Präsidenten zu schützen, auch wenn dieser Folter und Repressionen befiehlt? In seinen besten Momenten wirft Lee Jung-jae solche Fragen auf, was „Hunt“ am Ende doch zu mehr macht als einem reinen Action-Thriller, selbst wenn die einzelnen Teile des Films eher nebeneinanderstehen, als sich zu einem größeren Ganzen zu ergänzen.
Fazit: In seinem Regiedebüt inszeniert der aus „Squid Game“ bekannte Schauspieler Lee Jung-jae vor dem Hintergrund einer der düstersten Epochen der koreanischen Geschichte eine Mischung aus Agentenfilm und Actionkracher, bei der die Wendungen allerdings zunehmend immer weniger plausibel erscheinen.
Wir haben „Hunt“ beim Filmfestival in Cannes gesehen, wo er als Teil der Mitternachtssektion gezeigt wurde.
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